'Als ich 1977 die Sowjetunion besuchte und über den Roten Platz ging, dachte ich, dass die Sowjetunion, die damals erst sechzig Jahre alt war, vielleicht nicht so lange Bestand haben würde, wie viele Menschen dachten. Die Hauptbedrohungen, denen sie sich in ihrer Existenz vor meinem Besuch ausgesetzt gesehen hatte – z.B. die Gefahr eines Atomkrieges während des kalten Krieges-, waren teils abgewendet, teils im Schwinden begriffen, daher waren viele Menschen der Meinung, ihre Stabilität sei in einer Art ewiger Pattsituation mit den Vereinigten Staaten gesichert. Doch vierzehn Jahre später gab es die Sowjetunion nicht mehr. Ich nehme an, dass mein Besuch den Zerfall der Sowjetunion nicht bewirkt hat, und zur Zeit dieses Besuchs war es unmöglich, die genauen Ursachen ihres künftigen Untergangs vorherzusagen. Glasnost und Perestroika ließen sich im Jahr 1977 noch nicht prognostizieren – es gab sie noch nicht einmal in unserem Wortschatz des kalten Krieges. Das kopernikanische 95-Prozent-Argument tat seine Schuldigkeit – die Zukunft lag innerhalb eines Faktors von 39 der Vergangenheit -, auch wenn sich die Regeln veränderten und die Gefahren in der Zukunft anders sein sollten als in der Vergangenheit. Das lag einfach daran, dass meinem Besuch eben nicht Besonderes anhaftete.
1956 erklärte Nikita Chruschtschow vollmundig: „ Wir werden euch beerdigen." Das wurde als die unheilschwangere Ankündigung verstanden, doch tatsächlich nahm diese Bemerkung auf ein altes russisches Sprichwort Bezug, das einfach bedeutet: Wir werden euch überleben. Die Behauptung war deshalb so vollmundig, weil die Sowjetunion damals erst 39 Jahre alt war, während es die Vereinigten Staaten bereits seit 180 Jahren gab. Tatsächlich blieben der Sowjetunion noch weitere 35 Jahre, während die Vereinigten Staaten sie bis heute überdauert hat.
… Aus der Quantenmechanik wissen wir, dass die Beobachtung eines Systems dieses beeinflussen kann. Wenn Sie eine Vorhersage über ein Ereignis machen, das unwichtig und leicht zu verändern ist (etwa wie lange Sie die Kleidungsstücke noch tragen werden, die Sie gerade anhaben), könnten Sie die Vorhersage einfach dadurch widerlegen, dass Sie alle Ihre Kleidungstücke auf der Stelle ablegen. Befinden Sie sich gerade in einer Buchhandlung, könnte das peinlich sein, doch wenn Sie zu Hause sind und lesen, wird es ohne Schwierigkeiten gehen.
Dieser Effekt wird also bei Ereignissen von Bedeutung zu vernachlässigen sein. Beispielsweise hätte mein Artikel, der die Ablösung der konservativen Regierung in Grossbritannien vorhersagte, im Prinzip die konservativen Abgeordneten veranlassen können, noch am selben Tag ein Misstrauensvotum zu stellen, nur um die Vorhersage zu widerlegen - doch das war nicht wahrscheinlich, und es geschah auch nicht. Die Abgeordneten wollten die Regierungspartei bleiben, solange es ging, unabhängig von allen Vorhersagen, die darüber gemacht wurden.’