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Ein Projekt von

Brauchen wir wirklich eine neuen Anti-Imperialismus?
Eröffnung:
Freitag, 19.9.2003 um 19 Uhr
Im
Vordergrund steht die Auseinandersetzung mit öffentlichen Bildern,
die im Kontext sich verändernder Migrationspolitik in einer globalisierten
Welt generiert werden. Aus Kreisen des in Deutschland befindlichen Exils
wurde in den letzten Jahren nachdrücklich und wiederholt öffentlich
die These formuliert, dass 'Wir [also die Exilgruppen] hier sind [in Deutschland],
weil ihr [die Deutschen] dort seid' [also in den Ländern, aus denen
die Exilgruppen kommen]. Dieser von schleuser.net vorgefundene - Satz
'Wir sind hier, weil Ihr dort seid' soll in Interviews untersucht werden,
da er beides verbindet: Die Ausreise von Deutschen und die Einreise von
Ausländern.



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Brauchen
wir wirklich eine neuen Anti-Imperialismus?
Ort
der Arbeit ist das Liftarchiv im Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt
München (KVR). Dieser Ort und sein Kontext steht in direktem Zusammenhang
mit dem Bundesverbandes Schleppen&Schleusen, genannt schleuser.net,
der als Wirtschaftsverband des undokumentierten Reisemarkts, für
die Förderung von Mobilität eintritt. Wir beziehen uns damit
direkt auf die Tätigkeit des KVR als Migrations- und Reiseverwaltung,
die sowohl das Reisen von Deutschen ins Ausland, als auch Einreise, Aufenthalt
und Bewegungsfreiheit von Ausländern in Deutschland verhandelt.
Raumbezogene
Kontexte KVR:
Das KVR mit seinem Hauptgebäude an der U-Bahn-Haltestelle Poccistraße
ist in München als Ort des Pass- und Personalwesens, sowie für
Nichtdeutsche als Ort des Aufenthaltsrechts bekannt. Die anderen Aufgaben
(z.B. Hochzeiten, Schankver-waltung etc.) sind zwar im Hauptgebäude
auch vertreten, allerdings weniger diskurs-relevant, z.T. deshalb, weil
sie als weniger ‚hoheitlich‘ empfunden werden, also der verwaltungsförmige
Eingriff in die Wünsche allgemeiner Personen geringer ist.
Aus Kreisen des in Deutschland befindlichen – dem Ausländerrecht
unterworfenen - Exils wurde in den letzten Jahren nachdrücklich und
wiederholt öffentlich die These formuliert, dass „Wir [also
die Exilgruppen] hier sind [in Deutschland], weil ihr [die Deutschen]
dort seid“ [also in den Ländern, aus denen die Exilgruppen
kommen]. Dieser – von uns vorgefundene - Satz „Wir sind hier,
weil Ihr dort seid“ soll in Interviews untersucht werden, da er
beides verbindet: Die Ausreise von Deutschen und die Einreise von Ausländern.
Jedes
Interview verläuft analog zur Liftbewegung. Diese Interviews sollen
im Verlauf einer längeren Zeitperiode unregelmäßig stattfinden,
und zwar zu Zeiten, zu denen der Lift bewegt werden kann.
Die Interviews werden 'Innen' im Lift gehalten und in der Nahaufnahme
auf Audioträger aufgezeichnet und (nichtlippensynchron) auf Bildträger
in der Totalen dokumentiert. Ergänzend werden ebenfalls Videoaufnahmen
von der Situation 'Außen' vor dem KVR morgens, vor der offiziellen
Öffnungszeit erstellt; einer Tageszeit also, zu der sich sehr selten
allgemeine Passanten oder Kunstpublikum vor den Türen des KVR einfinden.
Der 'Link‘ zwischen Außen und Innen soll zweierlei Leisten:
Zum einen eine Geste darstellen zu der Tatsache, dass 'Innenverwaltung‘
und 'Außenverwaltung‘ miteinander verknüpft sind: Die
Aufgaben des KVR, als Ort und Instanz einer politischen Innenverwaltung
können natürlich nicht von Geschehen außerhalb seiner
eigenen kommunalen Grenzen und der Grenzen der Bundesrepublik getrennt
gesehen werden, jedoch bei der Aufnahme von Flüchtlingen in der Bundesrepublik
trifft dies immer seltener zu.
Die Interviews und das Bildmaterial werden zuerst im Lift-Archiv archiviert.
In einer abschließenden Präsentation werden der Audio- sowie
der Video-Aspekt verbunden. Diese Präsentation umfasst eine Installation
mit den bearbeiteten (z.B. gekürzten) Interviews, sowie eine geeignete
Installation des Bildmaterials (Video, aber auch Einzelbildausdrucke).
Der
Lift ist während der Produktion der Interviews in Bewegung, diese
Bewegung wiederum steht in direktem Zusammenhang mit dem strukturellem
Ablauf des Gesprächs: Es gibt Fragen für den „Aufstieg“
des Lifts, seinem „Abstieg“ und dem „Zwischenraum“.
Erste Recherchen haben ergeben, dass der Slogan ‚Wir
sind hier, weil ihr dort seid‘ sich auf den geschichtlichen Fakt
des Imperialismus bezieht, also verkürzt gesagt der Tatsache, das
zu einer bestimmten Epoche die europäischen Staaten Imperien errichtet
haben, durch die bestehende stabile Lebens- und Gesellschaftsverhältnisse
global so verändert wurden, dass dies auch Rückwirkungen auf
die ‚Mutterländer‘ dieser Imperien hatte. Dagegen wandte
sich ein 'Antiimperialismus‘; er gilt allgemein als gescheitert.
In unseren Interviews wollen wir entsprechend der Logik und Geschichte
dieses Formats (als Erfindung des demokratischen Journalismus der Vereinigten
Staaten vs. Formen der Hofberichterstattung europäischer Monarchien)
den Slogan ernst nehmen und umgekehrt als Anfangs-Frage stellen: „Brauchen
wir einen neuen Anti-Imperialismus“. Diese Frage wird dann mit dem
Lift in die Höhe einer Wunsch-produktion entfaltet, um dann auf dem
Rückweg nach unten bzw. an den Zwischenstationen dekonstruiert und
reflektiert zu werden. Da unsere Arbeit sich mit Bewegung auseinandersetzt,
deshalb immanent prozesshaft angelegt ist, können wir hier nicht
das Ergebnis vorwegnehmen, allerdings bewegen wir uns in unserer Arbeit
nicht auf der Fläche von Reproduktion des Slogans 'Wir sind hier,
weil Ihr dort seid‘, sondern auf der Fläche komplexer Zusammenhänge
postglobalisierter Phänomene, die keine ‚einfachen‘ Antworten
erlauben. Unser Interesse liegt auch nicht bei den Antworten, sonder im
Prozess des Aufstiegs, des Innenhaltens und des Abstiegs des Lifts, was
für uns symbolisch für das Ausformulieren von Wünschen,
ihrer symbolischen Sprache, und ihrer Reflexion und Dekonstruktion steht.
Farida
Heuck, Ralf Homann, Manuela Unverdorben
Kommunikationsteam schleuser.net
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